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Sabine Sonnenschein
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"Man hat sich seine eigene kleine Maschine gebastelt... "
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1.

Kleine Maschinen, tools, selbst gebastelt oder erworben, sind zuhanden, wenn sie benötigt werden. Ihr Gebrauch erfolgt mittels einer Technik, die auf einem durch Versuch und Übung erworbenen, in der Praxis angewandten Wissen basiert.

Die kleine Maschine ist ein technisches Hilfsmittel, ein Werkzeug, deren situationsspezifischer, einfühlsamer Gebrauch in den Händen derer liegt, die sie verwenden.
Im Anwendungsbereich der kleinen Maschinen, von denen ich hier spreche, ist die Thematisierung von Technik umso wichtiger, da es sich um eine körperliche handelt, das heißt eine, die durch wiederholte Praxis zu einem Wissen des Körpers wird, das situationsadäquat angewendet wird, wobei eine bewusste, sehr funktionale Intentionalität dem Vorgang eher hinderlich ist.


2.

Sex bildet das Schanier zwischen den beiden Entwicklungsachsen der politischen Technologie des Lebens, zwischen den beiden Achsen der Biomacht, von der Foucault spricht, da Sex einerseits zu den Disziplinen des Körpers zählt und andererseits mit Bevölkerungsregulierungen zusammenhängt.
Die eine Entwicklungsachse umfasst den Körper als Maschine, die anderer den Körper als Gattungskörper. 2 Sind es also die Techniken des Körpers, insbesondere die sexuellen Praxen, die die Biomacht normiert und die wir selbst dieser Norm entsprechend ständig kontrollieren?
Ist es die Biomacht, die sich auf unseren Körper auswirkt bzw. ist es das Sexualitätsdispositiv 3 dieser Macht, das Sex als begehrenswert konstituiert? Das Begehrenswerte will offenbar von uns erkannt werden. Und so wird erforscht, wieviel Sex in welcher Form die Gesundheit fördere und uns damit vitaler und leistungsfähiger mache. Zur Wellness gehört auch sexuell fit zu sein; Tips fürs fitte Sexualleben, das zu mehr Erfolg und Leistung gereichen soll, finden sich auch in niveauvolleren Magazinen.
Wie können die herrschende Biomacht und ihr Sexualitätsdispositiv subvertiert werden?
Schlichtweg noch immer durch homosexuelle Praxen? Oder durch das Entsagen, die Enthaltung, durch die Verweigerung? Durch masochistische und/oder sadistische Formen von Sex? Durch Sodomie, Nekrophilie, Pädophilie?


3.

Gibt es nicht kleinere, feinere Subversivität, die auch für mich lustvoll ist? Meine kleine Maschine? Ist die Praxis mit ihr subversiv?
Mein selbstgebasteltes Tool - voilà la bricolage
4 - hatte ja schon etwas Experimentelles: im Kern der Holzgriff einer Gusseisenpfanne, darüber Watte, Papier und ein Kondom. Weniger das Bedürfnis, subversiver zu agieren, als der Wunsch nach einem noch lustvolleren Handling brachten den Erwerb käuflicher Tools mit sich. Das Selbstgebastelte wurde von mir als zu experimentell verworfen, denn die technische Raffinesse eines schwarzen Silikonvibrators brachte eindeutig mehr Spielvariationen mit sich. Doch kann die äußerst klassische Ästhetik dieser kleinen Maschine nach einiger Zeit langweilen. Das bewog mich zum Kauf eines weiteren Tools: Die feine Materialität und etwas drollige Schönheit eines knallroten Silikondildos sagt meinem Körper und mir mehr zu als die beiden Vorläufer. Kann aber die Masturbation mittels eines Tools, das markttauglich wie Barbawum, der kleine Rote aus der Familie Barbapapa, zu sein scheint, denn noch etwas Subversives an sich haben?
Nun die Objekte bringen freilich eine gewisse Unabhängigkeit mit sich; es könnte hier auch von Selbstermächtigung gesprochen werden. Vielleicht könnte es eine feministische Strategie darstellen, sich einen Phallus als Spielzeug neben das Bett zu stellen. Inwieweit im Umgang mit dem Objekt eine Technik entwickelt wird, bei der es in der Imagination um Sex mit einer realen Person geht, oder ob ausschließlich das Lustempfinden des eigenen Körpers Thema ist, bleibt den AnwenderInnen des Tools überlassen.
Der Gebrauch kleiner Maschinen und Tools - selbstgebastelt oder nicht - scheint noch immer subversiv zu sein, da die herrschende heterosexuelle Norm besagt, dass im "gesunden" - möglicherweise auch an eine Art von Partnerschaft gebundenen - Sexualleben ihr Gebrauch nicht vonnöten sei. Gut vorstellbar ist aber eine Zeit, in der PsychotherapeutInnen und vielleicht auch GynökologInnen ihren Patientinnen
5 den Gebrauch dieser kleinen Geräte wie einen Kuraufenthalt verordnen.
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1) Gilles Deleuze/Felix Guattari, Tausend Plateaus, Berlin: Merve, 1992, S. 221

2) Michel Foucault, Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit 1, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1983, S. 173 ff.

3) Vgl. Michel Foucault, Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit 1, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1983

4) Vgl. Maurice Lévi-Strauss, Das wilde Denken, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1994, S. 29 ff.

5) Für Männer, die anale Praxen bevorzugen, scheint so eine Zeit allerdings noch in weiter Ferne zu sein.

 
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