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 sprach-, wert- und schmerzlos
 Als ich 16 war, habe ich Fotos 
        von im KZ-Mauthausen getöteten Juden über mein Bett geklebt. 
        Wir waren mit der Schule in Mauthausen, um das KZ zu besichtigen. Die 
        dort gekaufte Broschüre habe ich zerschnitten und damit meine Wände 
        mit zu Tode gefolterten, verhungerten Körpern geschmückt. Der 
        Körper soll in der Öffentlichkeit hart sein und sich nicht so 
        verhungert, nutzlos und erbarmungswürdig Emotionen einkaufen. Ein harter Körper fühlt sich stark an. Hart-Sein ist, sich die 
        anderen vom Leib halten, mit Statements, die nicht kommunizieren nur provozieren, 
        mit einem Körper, der den menschenleeren Radius um mich groß 
        genug hält.
 Die Sprachlosigkeit bringt mich immer wieder an den Punkt, wo ich mich 
        im öffentlichen Raum, in Gegenwart anderer, mir Fremder oder auch 
        nicht so Fremder, auflöse. An diesem Ort bin ich wertlos.
 Meinen gefühllosen Körper kultivieren ist, der eigenen Wert- 
        und Sprachlosigkeit im öffentlichen Raum Herr werden, sich stark, 
        hart und gut fühlen. Stark bin ich, wenn ich Schmerzen aus- und hochhalte. 
        Den Raum, die Bühne für meine Verletzungen bestimme ich selbst 
        und inszeniere/demonstriere in der Öffentlichkeit, der Sprache Herr 
        zu sein. Viele harte öffentliche Körper statt sprachlicher Vertiefung. 
        Der Inszenierung von Härte liegt das Bedürfnis, Schmerzlosigkeit 
        zu inszenieren zugrunde. Die Inszenierung schmerzfreier Körper re-inszeniert 
        wiederum Sprachlosigkeit. Keine Stimme haben, die zählt, Verstummen, 
        zerstört, und will in der Folge zerstören. Jeder körperliche 
        Schmerz, den ich aushalte (auch im Sinne von austeilen und inszenieren) 
        macht mich härter.
 Es ist körperlich anstrengend, niemandem um mich die Angst merken 
        zu lassen. Als Teil von ihr verleiht mir die Gruppe im Rahmen öffentlicher 
        Selbst-Inszenierungen Härte als Ersatz für die Artikulation 
        meiner selbst. Wert definiert sich jetzt primär über Hart-Sein, 
        nicht mehr über Für-mich-Sprechen-Können. Öffentliche 
        Inszenierungen einer Masse von Körpern treten an seine Stelle.
 Mit meinem Körper Auffallen 
        heißt, mich auf eine Bühne stellen: Blicke sollen auf mir ruhen, 
        fremde Körper mir fernbleiben. Die Bühne gibt mir Sicherheit. 
        Sie hat ihre eigene Realität, die uns bekannt ist, euch nicht. Auf 
        ihr inszeniere ich mich als Fremde. Die Haare werden geschoren, Narben 
        gesammelt, der Speck weggehungert. Der Körper soll hart sein, so 
        wie ich es sein möchte.  Der erste Interviewte sagt, er 
        demonstriert gegen die Politik der schwarz-blauen Regierung. Sein Körper 
        mache diese Meinung im Rahmen der Demo sichtbar. Labor 3.2, 8.-20.4.2002, Tanzquartier Wien, mit Nicole Haitzinger, Martin 
        Nachbar, Stefan Nowotny, Michaela Pöschl, Sabine Sonnenschein
 Michaela Pöschl
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